Fasching im Mittelalter

Narrisches Treiben im Mittelalter – Von Fasching bis Karneval

Die narrische Zeit ist wieder angebrochen. In zahlreichen Städten und Regionen heißt es wieder „Lei Lei“, „Helau“, „Hoorig“ oder anders. Fasching und Fasnacht werden im Süden gefeiert, Karneval in Mitteldeutschland. Die Leute ziehen verkleidet durch die Straßen und für eine knappe Woche geht es bunt und verrückt zu. Und ja, Fasching wird schon ziemlich lange gefeiert. Auch im Mittelalter ging es schon bunt und deftig zu.

Weiberfasnacht bei Parzival

Die Wurzeln der Faschingsbräuche sind vielfältig. Die einen vermuten keltisches Brauchtum dahinter – mit Lärm und Verkleidung sollte der Winter ausgetrieben und der Frühling herbeigerufen werden. Andere vermuten sogar römisches Brauchtum, die Saturnalien. An diesen Tagen wurden im alten Rom die Sklaven von den Herren bedient, es wurde ausgelassen getrunken, gefeiert und angeblich auch sehr wild auf den Straßen getrieben… man erkennt ein Muster.

Fakt ist, dass mit dem Aufkommen der Kirche heidnische Bräuche in den kirchlichen Kanon eingegliedert wurden. Somit wurde – zunächst ab dem 6. Januar – eine Woche Ausnahmezustand erlaubt. Später verschob sich das auf die Woche vor Aschermittwoch. Schon in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ aus dem Jahr 1206 wird die Weiberfasnacht auf Burg Dolnstein beschrieben. Die Frauen führten „groteske Spiele, Tänze und Verkleidungen“ auf und das am Donnerstag vor Aschermittwoch – der heutige „Unsinniger“, „Schmutzige“ oder „Schmotz“-Donnerstag – je nach Region heißt das anders.

Ventil für die Gesellschaft

Fasching im Mittelalter

Augustinus als Schriftgelehrter mit einem Bildnis von Gottes- und Teufelsstadt, 14. Jahrhundert

Die Faschingszeit war nicht nur die Zeit des Feierns, sondern diente auch als soziales Ventil zum Dampfablassen. Es herrschte buchstäblich „Narrenfreiheit“. Bauern und Angestellte durften ungestraft pöbeln und sich über Stadt- und Lehnsherren und den Klerus lustig machen. Es wurde gespottet und wild getanzt. Und auch die Obrigkeit hatte Spaß am Treiben. So ist verbrieft, dass reiche Herren ihre Bediensteten zu Tisch baten, ihnen Wein ausschenkten und für eine kurze Zeit die Rollen tauschten – die eigentliche Weltordnung stand für ein paar Tage Kopf.

Die Kirche billigte das Verhalten. Das hatte zwei Gründe: zum einen konnten die Menschen zumindest einmal im Jahr ihren Frust herauslassen und sich abseits gesellschaftlicher Zwänge anders benehmen. Nicht nur die Unterschicht, auch die oberen Schichten genossen es wohl, zumindest kurzzeitig jegliche Etikette ablegen zu können.

Ab dem 15. Jahrhundert setzte sich nach Glaubenslehren des Gelehrten Augustinus das Bild der „Gottestadt“ und der „Teufelsstadt“ immer mehr in den kirchlichen Lehren durch. Augustinus schuf das symbolische Bild zweier Städte. In der „Stadt Gottes“ herrschte irdischer Frieden, Liebe und Ruhe – ein Ziel, nach welchem auch die irdische Welt streben sollte. Als Kontrast diente die „Teufelsstadt“, in der Sünde, Lust, Genuss und Laster regierten.

Die Faschingszeit versinnbildlicht das. Die Fastenzeit danach symbolisierte die Buße und letztendlich die Transformation zum göttlichen Leben, das mit der Auferstehung Christi seinen Höhepunkt feiert. Und wer weiß, wenn man nach einer Woche zügellosem Leben mit einem gepflegten Kater die Kirchenbank drückte, dürfte solch eine Predigt ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Das ist aber nur eine persönliche Ansicht 😉

 

 

Von Masken und Schemen – Fasching im Mittelalter

Das Darstellen von Dämonen, Monstern oder anderen Fabelwesen war schon seit der Antike fester Bestandteil von Brauchtum. Die Fastnachtszeit, die ja auch das sündige Leben rezipierte, war da keine Ausnahme, und so waren Verkleidungen auch im Mittelalter bereits beliebt. Allen voran war es der Teufel, der in allen Facetten dargestellt wurde. Er galt als Sündentreiber und Kinderschreck. So liefen die verkleideten Teufel auch durch die Straßen, um Schrecken zu verbreiten. Im Spätmittelalter wurde der Narr und sein Gefolge Konkurrenz. Der Narr galt als König der Faschingszeit. Er durfte wüst und wild sein, konnte pöbeln und soziale Ungerechtigkeiten rausposaunen, ohne dass er Strafe fürchten musste – er war ja immerhin nur ein Narr! Später gesellten sich noch Figuren aus heimischer und regionaler Folklore und Mythenwelt dazu. Sie stellten die Jahreszeiten dar und sollten den Winter oder böse Geister vertreiben – Aberglaube war auch im Mittelalter großes Thema!

Auf Kurs mit dem Narrenschiff

Fasching im Mittelalter - die Narren auf diesem Holzstich segeln dem Land "Narragonien" entgegen.

In Sebastian Brants „Das Narrenschiff“ (1494) segeln die Narren ihrem Traumland „Narragonien“ entgegen – und endgültig in die Fasnachts-Folklore.

Im ausgehenden Mittelalter war der Narr als  Volksfigur bereits in allen Schichten bekannt. Seinen großen Durchbruch erhielt sie aber erst durch die Moralsatire „Das Narrenschiff“ von Sebastian Brant, die 1494 erstmals als gedruckte Ausgabe erschien. In dem Werk segeln 112 Narren ins fiktive Land „Narragonien“, wo die Narrenfreiheit herrscht. In jedem Kapitel beschreibt Brant einen anderen Narr – Habsucht, seltsame Kleidermoden, Gier, Laster, flegelhafte Pfarrer – nahezu jeder aus der damaligen Gesellschaft bekommt sein Fett weg. Am Ende ist es aber „eyn weyser Man“, der die Narren zur Vernunft bringt und ihnen aufzeigt, dass nicht Narrentum, sondern einzig die menschliche Vernunft ein gutes und seliges Leben ermöglicht. Brant kehrt hierbei explizit von kirchlicher Frömmigkeit ab – der Mensch soll selbst denken! Das Buch erfreute sich – da es auch in niederdeutscher Sprache erschien – größter Beliebtheit und inspirierte weitere Autoren des Spätmittelalters zu ähnlichen Werken. Brant selbst gab an, dass das Narrenschiff  „vff die Vasenacht/die man des narren kirchwich nennet“ entstanden sei. Der Narr als Faschingsfigur wurde allerdings erst durch ihn danach sehr beliebt und auch ein bekanntes literarisches Motiv. „Till Eulenspiegel“ wurde etwa 1515 das erste Mal veröffentlicht.

 

Nürnberger Schembartlauf

Figur des Nürnberger Schembartlauf, 1449 e des Mittelalters werden Verkleidungen während der Faschingszeit immer bedeutsamer.

 

 

Auch in anderen Teilen Deutschlands wird das närrische und die Verkleidung immer mehr zelebriert. Aus dem Jahr 1449 ist aus Nürnberg der „Schembartlauf“ verbrieft. Einst von der Zunft der Metzger abgehalten, nahm bald die ganze Stadt daran teil. Die Metzger sangen und tanzten wild und spotteten auf andere oder über sich selbst. Diese Freiheit als Bürger konnte ihnen nicht genommen werden. Ein Schriftzeugnis mit Buchmalerei aus dem Jahr 1449 zeigt einige der bunten und narrischen Kostüme.

Während der Fastnachtszeit wurde in zahlreichen Orten auch ein Narrengericht abgehalten. Bei diesem Gericht wurden Bürgerinnen und Bürger, aber auch Obrigkeiten „angeklagt“ und dem Publikum vorgeführt. Je nach Region wurde wortwörtlich Buch geführt über Schändlichkeiten, die ein einzelner Mensch über das Jahr so aufgeführt hat. Das könnte von einer frivolen Liebschaft mit der Magd, Steuerhinterziehung, Geiz oder Gotteslästerei alles Mögliche sein. Die Angeklagten mussten den Spott der Gesellschaft ertragen – allerdings im narrischen Treiben fiel das wohl weniger ins Gewicht.

In der deutschen Stadt Stockach wird bis heute noch ein Narrengericht gehalten, dessen Wurzeln bis ins Spätmittelalter zurückgeht. Die Verurteilen erwarteten meist Strafen wie ein Bad im Dorfbrunnen. Später wurde meist Musik aufgespielt, gefeiert und getanzt.

Narrengericht

Musik und Tanz zur Narrenzeit

Noch einmal schlemmen vor der Fastenzeit

Fasching bedeutete nicht nur Feiern und fröhlich sein, sondern hatte auch wirtschaftlich eine wichtige Funktion. Denn kurz vor der anstehenden Fastenzeit mussten die Vorratskammern der Wirtshäuser und Händler noch einmal geleert werden – denn viele Produkte waren nicht so lange haltbar. Außerdem war der Besitz diverser Lebensmittel in der Fastenzeit nicht erlaubt. Neben Alkohol und Fleisch durften auch keine Milchprodukte wie Käse oder Butter, aber auch Eier und Speck nicht konsumiert werden.

Dementsprechend wurde davor noch einmal ordentlich geschlemmt und viel fettiges gegessen. Der „Schmutzige Donnerstag“, Schmotzige Dunnschtig“  aus dem alemannischen Sprachraum hat hier seine Herkunft – denn „Schmotz“ beschreibt nichts anderes als Fett. Und schon im Mittelalter wurden im Fett kleine Küchlein ausgebacken und verschenkt – die Basis für die Fasnachtskuchen.

Das Wort „Karneval“ kommt vom lateinischen „Carne Vale“, was so viel heißt, wie „Fleisch, leb wohl“. Fastnacht beschreibt einfach die Nacht vor der Fastenzeit und „Fasching“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „Vaschanc“ ab, was einfach den „Fastenausschank“, also den letzten alkoholischen Ausschank vor Fastenzeit beschreibt.

Mit all dem bunten Treiben wurde die fünfte Jahreszeit ausgiebig zelebriert und genossen, wie es zahlreiche Bilder, besonders aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit belegen.

 

Ab Aschermittwoch war allerdings Schluss mit Feiern, Schlemmen und der sündigen Weltordnung. Bis Ostersonntag brach die Fastenzeit an, in der die Menschen Buße tun sollten und sich auf die Auferstehung Jesu Christi vorbereiten sollten. Auch der eingeschränkte Speiseplan war ein Zeichen dafür. Übrigens waren Wassertiere wie Fische erlaubt. Da allerdings auch Enten und Bieber im Wasser leben, galt auch deren Fleisch als Delikatesse. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Ambraser Narrenteller

Um hier noch den Bogen am Schluss zur Region zu spannen: Auf Schloss Ambras wird in der weltberühmten Wunderkammer der sogenannte „Ambraser Narrenteller“ ausgestellt. Dieser bemalte Holzteller aus dem Jahr 1528 aus Augsburg, gemalt von Jörg Bräu d. Ältere, stellt im Zentrum eine dicke rundliche Frau mit Eselsohren dar. Um sie herum hüpfen diverse Männer, die allerlei unsinnige Tätigkeiten verrichten. Die Narrenmutter galt im frühen 16. Jahrhundert als Versinnbildlichung des Lasters und der Unzucht – ähnlich zu Eva aus der Bibel. Der Narrenteller zeigt, wie die Unsinnigkeit und Dummheit in der Welt verteilt wird – und überlegt, wie man der Blödheit Herr werden kann. Von einer Kopfoperation, über Einläufe, aushungern und mehr – das alles wird sehr frivol und bildlich dargestellt – versuchen die Menschen, die Narren auszulöschen. Doch der Teller kommt zur ernüchternden Conclusio: Die Blödheit und die Narren werden wohl nie aussterben.

Narrenteller Fasching

 

 

Veröffentlicht in Geschichte.