Ein faszinierendes Projekt für alle, die sich für historische Lederarbeit: die Rekonstruktion eines historischen Armschutzes aus Leder, basierend auf einem Originalstück aus dem British Museum. Unter der Inventarnummer 1922,0110.1 ist dort ein Armschutz eines Bogenschützen aus dem (frühen) 16. Jahrhunderts dokumentiert – reich verziert und erstaunlich gut erhalten.
In diesem Beitrag zeige ich, wie ich eine eigene Replik dieses mittelalterlichen Lederarmschutzes angefertigt habe, welche historischen Techniken ich verwendet (oder (un-)bewusst weggelassen) habe, und welche Unterschiede zwischen dem Original und meiner Nachbildung bestehen.
Das Original: Ein mittelalterlicher Armschutz aus Leder
Das im British Museum ausgestellte Fundstück stammt vermutlich aus dem (frühen) 16. Jahrhundert. Es handelt sich um einen geformten Armschutz aus pflanzlich gegerbtem Leder, möglicherweise getragen von einem Bogenschützen oder als Teil einer zeremoniellen Rüstung. Besonders auffällig ist die kunstvolle Verzierung: florale Punzierungsmuster (Eichenblätter und vermutlich Eicheln) und eine Tudor-Rose, deren Vertiefungen ursprünglich mit Goldfarbe ausgelegt/ausgemalt waren – davon zeugen heute noch sichtbare Rückstände.
Großer Dank geht an Reverend’s Big Blog of Leather, der ein gutes Foto des Armschutzes im British Museum gemacht hat.

Mein Nachbau: Material und Vorgehen
Ich wollte mich so nah wie möglich am historischen Vorbild orientieren, dabei aber auch meine eigenen Möglichkeiten und Materialien berücksichtigen.
1. Materialwahl
Für meine Replik habe ich 2-2,5 mm starkes pflanzlich gegerbtes Rindleder verwendet – etwas dünner als beim Original. Zusätzlich habe ich ein dünnes Innenfutter aus feinem Ziegenleder angebracht und entlang des äußeren Rands vernäht. Beim Original sind keine Nähte zu erkennen und war auch nicht gefüttert – meine Lösung dient vor allem dem Tragekomfort.
2. Formgebung
Ein wichtiger Unterschied zum Original: Ich habe nicht mit Hitze geformt (kein Cuir Bouilli). Der Armschutz wurde bei mir flach gearbeitet und erst beim Anlegen um den Arm gebogen. Beim Original wurde das Leder vermutlich durch Hitze dauerhaft geformt. Wäre etwas, das ich beim nächsten Versuch tatsächlich machen könnte, um näher an die historische Herstellungsweise heranzukommen.
3. Verzierung und Punzierung
Die Punzierung war der spannendste Teil des Projekts. Ich habe das Leder zuerst gründlich gewässert und dann antrocknen lassen – so ließ es sich gut bearbeiten und punzieren. Die Konturen der Ornamente (inkl. Tudor-Rose) sowie den Schriftzug “ihc helpe” (Jesus help) habe ich mit einem Skalpell vorgeschnitten und anschließend mit einem feinen, runden Punziereisen drumherum in die Tiefe gearbeitet.
4. Farbgebung
Hier bin ich vom historischen Vorbild abgewichen: Statt echter Vergoldung und Pigmenten habe ich die Vertiefungen mit goldener Acrylfarbe ausgemalt. Auch die Tudor-Rose und floralen Verzierungen habe ich farbig gestaltet – inspiriert von den erhaltenen Spuren am Original, aber in moderner Umsetzung. Die Farben bringen das Muster schön zur Geltung und lassen die Struktur noch besser sichtbar werden.
5. Befestigung
Statt einer Schnürung mit mehreren Löchern, wie sie das Museumsexemplar aufweist, habe ich mich für einen einfachen Lederriemen mit einer Schnalle entschieden. Das ist praktischer für meine Zwecke, auch wenn es vom historischen Vorbild abweicht.
Historischer Armschutz für Bogenschießen: Bilder der Rekonstruktion








Unterschiede zum Original – und was ich beim nächsten Mal anders mache
Auch wenn meine Replik sich optisch am Original orientiert, gibt es bewusst gewählte (und manchmal auch unbewusste) Abweichungen:
- Kein Cuir Bouilli: Das Leder wurde nicht erhitzt und vorgeformt
- Dünneres Leder als im Original
- Innenfutter und sichtbare Außennähte (im Original weder noch erkennbar)
- Verwendung von Acrylfarben statt echter Vergoldung und Pigmenten
- Lederriemen statt historischer Schnürung
Fazit
Meine Rekonstruktion eines historischen Armschutzes ist natürlich keine exakte Kopie, aber eine Annäherung – und vor allem ein spannendes Experiment, das mir neue Einblicke in das mittelalterliche Lederhandwerk gegeben hat. Die Kombination aus Funktion und Dekor, wie sie das Original zeigt, fasziniert mich immer wieder.
Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden und freue mich schon auf die nächste Version – dann vielleicht mit geformtem Leder und echter Pigmentfarbe 😉
~ Marina