Strohhüte im Mittelalter: Mode, Funktion und Rekonstruktion

Strohhüte werden oft mit dem ländlichen Leben und dem Schutz vor der Sonne in Verbindung gebracht und spielten daher auch im Mittelalter eine bedeutende Rolle. In diesem Artikel beleuchten wir die Funde mittelalterlicher Strohhüte, versuchen verschiedene Formen einzuordnen und beleuchten die Handwerkskunst, die hinter ihrer Herstellung steht.

Funde mittelalterlicher Strohhüte

Obwohl nur wenige Funde mittelalterlicher Strohhüte erhalten geblieben sind, geben zwei bemerkenswerte Funde der letzten Jahrzehnte einen guten Einblick in das handwerkliche Können und die Funktion dieser Hüte aus Stroh.

Strohhut aus dem 15. Jahrhundert

  • Fundort: Schloss Lengberg bei Nikolsdorf, Österreich
  • Fundjahr: 2008

Ein gut erhaltener Strohhut aus dem 15. Jahrhundert wurde bei Renovierungsarbeiten im Schloss Lengberg entdeckt. Dieser Fund bietet uns einen wertvollen Einblick in die Mode und die handwerklichen Fähigkeiten der damaligen Zeit. Mehr Informationen dazu finden sich auf der offiziellen Website: https://schloss-lengberg.at/der-strohhut/

Strohhut aus dem späten 15. oder frühen 16. Jahrhundert

  • Fundort: Kempten, Allgäu, Deutschland
  • Fundjahr: 1996

Ein weiterer interessanter Fund stammt aus Kempten. Dieser Strohhut zeigt, dass solche Hüte nicht nur in ländlichen, sondern wohl auch in städtischen Gebieten gebräuchlich waren.

Funktion der Strohhüte im Mittelalter

Basierend auf Darstellungen in mittelalterlicher Kunst lässt sich schließen, dass Strohhüte damals ähnlich verwendet wurden wie heute: als praktische Kopfbedeckung im Freien, um vor der Sonne zu schützen. Abbildungen in Manuskripten und Fresken zeigen Menschen bei der Feldarbeit oder bei anderen Outdoor-Aktivitäten, die Strohhüte tragen. Diese Hüte dienten primär als Sonnenschutz und waren damit ein unverzichtbares Accessoire für jedermann, unabhängig von sozialem Status oder Beruf.

Formen der Strohhüte im Mittelalter

Strohhüte im Mittelalter gab es in verschiedenen Formen, die regional und zeitlich variierten. Wir finden diese Einordnungen passend:

Klassische-Form

Die klassische Form eines Strohhutes, die dem Fund aus Lengberg ähnelt, findet sich in zahlreichen mittelalterlichen Darstellungen wieder. Ein gutes Beispiel ist die Szene des Monats Juni in den „Très Riches Heures du Duc de Berry“ (Paris, c. 1425-1430). Weitere Beispiele finden sich im „Livre de la Chasse“ (1387).

Bildquellen:

  • Très Riches Heures du Duc de Berry Folio 6, verso: June
  • Mann mit Jagdhorn, Buch der Jagd (frz. Livre de la Chasse), 1387, Ms. 27 (87.MR.34), fol. 81v

Die Glocken-Form / Konische Form

Diese Form, die oft in der Maciejowski-Bibel (1244-45) dargestellt wird, war ein häufiger Huttyp im 13. und 14. Jahrhundert. Auch in späteren Epochen, wie in der Glasmalerei der Stiftskirche Viktring (1390-1400), bleibt diese Form populär.

Bildquellen:

Die Kreissäge-Form

Diese Form, die an eine Kreissäge erinnert, zeichnet sich durch eine flache Krone und eine kreisförmige, flache Krempe aus. Diese Art von Strohhut findet sich in Manuskripten wie dem „Tacuinum Sanitatis“ (c. 1390-1400).

Bildquellen:

  • Utopia, armarium codicum bibliophilorum, Cod. 102, p. 11r – Book of Hours of Agnes le Dieu, 16. Jahrhundert (www.e-codices.unifr.ch/en/utp/0102/11r)
  • Männer bei der Weizenernte, Tacuinum Sanitatis (BNF Nouvelle acquisition latine 1673), c. 1390-1400 (fol. 46v)

Andere Formen

Der „Robin Hood-Stil“, bei dem der Strohhut in einer besonderen Falttechnik gestaltet ist, ist auf Fresken im Castello della Manta (c. 1420) zu sehen. Eine Variante, die an asiatische Strohhüte erinnert, wird im „Tacuinum Sanitatis“ (1380-1399) dargestellt.

Bildquellen:

  • Detail eines Freskos im Castello della Manta, ca. 1420
  • Tacuinum sanitatis, Codex Vindobonensis, series nova 2644, Folio 26v (Seite 56). Norditalien, vermutlich Verona, ca. 1380-1399.

Rekonstruktion mittelalterlicher Strohhüte

Wir wagten uns an eine Rekonstruktion mittelalterlicher Strohhüte nach dem Lengberg-Fund. Der grundlegende Herstellungsprozess blieb bis heute nahezu unverändert.

Technik und Material

Die Hüte werden aus geflochtenem Stroh hergestellt, das in Form gebracht und vernäht wird. Obwohl heute oft eine Nähmaschine verwendet wird, basiert die Technik auf händischem Vernähen. Tatsächlich handelt es sich bei der Herstellung um das Anlegen von geflochtenen Strohbahnen, die dann Schritt für Schritt zusammengenäht werden. Diese Technik erfordert zwar keine besondere Kunstfertigkeit, jedoch ein gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen und kräftige Finger.

Weiterführende Links zu Strohhüten & Mittelalter

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